Australia

Interview Mads Kleppe

Interview Mads Kleppe

15. Juni 2016

Mads Kleppe ist Headsommelier vom Restaurant Noma in Kopenhagen. Im Rahmen des temporären Restaurantprojektes Noma Australia vom Frühling 2016 hat sich Mads intensiv mit der Australischen Weinkultur befasst.

Im Zusammenhang mit dem Projekt Noma Australia hast du dich vertieft mit australischem Wein auseinandergesetzt. Wie hast du diesen Prozess erlebt?

Die Vorbereitungen für Noma Australia begannen mit viel Vorlauf. Als René Redzepi die Idee hatte, in Australien dieses Projekt umzusetzen, war für mich sofort klar, dass wir mehr oder weniger ausschliesslich mit australischem Wein arbeiten wollen. Ehrlich gesagt war ich in dieser frühen Planungsphase sehr voreingenommen, da ich bis dahin fast ausschliesslich mit industriell produzierten australischen Weinen in Kontakt gekommen bin. Zwar wusste ich, dass in den letzten Jahren einiges in Bewegung gekommen ist, auch kannte ich Tom Shobbrook und Anton van Klopper bereits seit längerer Zeit. Aber ansonsten war das für mich grossteils Neuland. Wir begannen also früh mit Reisen zu Winzern – insgesamt war ich fünfmal für Abklärungen in Australien. Dabei stand mir mein Freund und Weinjournalist Mike Bennie als eine Art Kurator zur Seite. Aus Sidney stammend war er die einzige und kompetenteste Person, mit der ich mir vorstellen konnte, während meinen Forschungsreisen zusammenzuarbeiten. Er weiss, was ernsthafte Produzenten und lebendige Weine sind, zumal in der Szene und unter dem Deckmantel der sogenannten Naturweine auch viel Zweifelhaftes und Unseriöses geschieht. Ich habe mich vorgängig bewusst nicht zu stark eingelesen und ging jeweils unvoreingenommen mit Mike auf meine Reisen. Von Anbeginn weg war ich bei meinen Begegnungen fasziniert und beeindruckt von der Passion, den Visionen, dem Enthusiasmus und dem Arbeitsethos dieser neuen jungen Generation von Winzern, die eine sehr dynamische und gleichzeitig sehr starke Bewegung formieren.

War es für dich schwierig, überhaupt genügend Wein zu finden, der den Noma-Ideen und -Standards genügte?

Es war in der Tat schwierig, genügend verschiedene Weine zu finden und pro Wein jeweils genügende Mengen zu bekommen. Erschwerend war, dass René Redzepi das Menu noch nicht im Detail konzipiert hatte. Als dann aber klar wurde, dass der Fokus des Menus auf Fisch und Meeresfrüchte gerichtet sein soll, war mir rasch klar, dass ich Weissweine brauche. Die interessanten Produzenten machen aber vorwiegend Rotweine, oder aber maischevergorene Weissweine – was ich aber nicht unbedingt suchte. Glücklicherweise besuchte ich zu dieser Zeit dann aber das Wein- und Foodfestival Rootstock in Sidney, wo viele der vorher bereits besuchten Winzer auch präsent waren. Ich degustierte nochmals alle interessanten Weine und habe dann von einigen Weinen jeweils gleich 400-500 Flaschen aufgekauft, was oftmals der gesamten verfügbaren Mengen entsprach. Und dennoch waren diverse Weine bereits im Verlauf des Projektes Noma Australia ausverkauft.

Die meisten Leute assoziieren Wein aus Australien mit Erzeugnissen aus industrieller Grossproduktion. Wo steht dazu im Vergleich die erwähnte Bewegung dieser neuen, jungen und artisanalen Winzer?

In der Region Adelaide Hills ist aktuell eine unglaubliche Dynamik im Gang. Die Region zieht viele im Grunde genommen künstlerisch veranlagte Leute an, die sich einer anderen Form der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion widmen. Ihre Haltung gegenüber Weinproduktion ist eine Lebenshaltung und nicht bloss ein Beruf. Unter diesen Leuten finden sich einige herausragende Talente wie z.B. Tim Weber und Monique Millton vom Weingut Manon, die artisanale Weine ohne jegliche Intervention und Zusätze herstellen. Der Kontrast zu den benachbarten industriellen Weinfabriken könnte nicht grösser sein. Im unmittelbar benachbarten Barossa-Tal siehst du diese gigantischen Industriehallen und Logistikgebäude, Lastwagenkolonnen, die zur Erntezeit ihre Sch… abladen kommen, Millionen von Litern fassende Tanklager, landschaftlich pure Einöde.

Kannst du wesentliche Unterschiede zwischen im Geiste verwandten australischen und europäischen Winzern ausmachen?

Noch vor einigen Jahren haben viele der jungen australischen Produzenten versucht, europäische Weine zu kopieren, Aspekte herauszuschälen, die ihnen in degustierten europäischen Weinen gefielen. Rasch realisierten sie aber, dass ihr Terroir in Australien geologisch und klimatisch komplett anders ist, und so liessen sie zunehmend zu, eigene und eigenständige Weine entstehen zu lassen. Diese Leute suchen hier nach anderen Aspekten im Wein: Sie fokussieren auf Textur, während man in Europa in der Regel eher nach Mineralität und Struktur strebt. Die Weine haben oftmals komplett andere und exotische Aromen als wir sie aus Europa kennen. Tim und Monique haben z.B. einen Sauvignon Blanc Saft aus wilden Reben gemacht, der komplett anders schmeckt als alles was ich bislang je getrunken habe. Phantastisch! Das ist einmalig und entsprechend ein Original von ihrem Stück Land und ihrer Produktionsweise.

Ist jahrtausende- oder jahrhundertealte Weinbautradition eher ein Vorteil oder eine Last?

Für diese jungen Winzer ist es sicher einfacher, ihr eigenes Ding zu machen, kreativ zu sein, neue Wege zu beschreiten, ohne Korsett und Last eines Vermächtnisses, das einengt und nicht inspiriert. Und dennoch: Australien hat ebenfalls bereits eine 400-jährige Weingeschichte. Seitens der australischen Konsumenten stellt man ausgeprägte Präferenzen für sortenreine Weine sowie Vorlieben für gewisse Varietäten fest. Dabei haben die Australier sehr klare Vorstellungen, wie eine Varietät schmecken muss. Dies ist sicherlich eine zusätzliche Herausforderung für die jungen Winzer, ungewohnte Weine auf ihrem Mainstream-lastigen Heimmarkt positionieren zu können und dabei die vorherrschenden Geschmackserwartungen in Frage zu stellen. Im Noma Australia war das für mich jeweils eine sehr lustige Erfahrung, wie man aufgeschlossene Australier überraschen konnte, was ihr Land auch noch hergeben könnte…

James Erskine vom Weingut Jauma konzentriert sich zunehmend auf Grenache und Chenin. Tim Weber und Monique Millton vom Weingut Manon wiederum produzieren sehr viele unterschiedliche Varietäten. Werden sie diese Vielfalt behalten oder gibt es Varietäten, die besonders Sinn machen?

Ich sehe das auch als Teil des Prozesses. Diese Leute sind in einer Entwicklung und in einer Findungsphase. Es gehört natürlicherweise dazu, dass neugierige Leute mit verschiedenen Varietäten zu arbeiten beginnen und dann unter Umständen später erkennen, welche Varietäten am meisten Sinn machen.

Um bei Jauma und Manon zu bleiben: Wie schätzst du diese beiden Projekte ein?

Für mich sind diese beiden Weingüter sicher die interessantesten zwei Projekte und eine Verheissung für die Zukunft. Sie sind zwar sehr unterschiedlich, haben aber auch viele Gemeinsamkeiten, insbesondere in ihren Haltungen als kreative, engagierte, kompromisslose Landwirte und Winzer mit einer wunderbaren Auffassung von Wein. James macht unglaublich gute Weine. Das Fass Chenin, das wir fürs Noma hatten, war mit Abstand der beste Chenin, den ich je getrunken habe. Auch seine Grenache-Weine sind toll strukturiert und bleiben gleichzeitig leicht und vibrierend. Das ist sehr eindrücklich, auch in Anbetracht der klimatischen Begebenheiten dieser Region. Tim und Monique sind sehr reflektierte Leute und produzieren wahnsinnig lebendige, vibrierende Weine. Die beiden konnten glücklicherweise nun ihre Farm kaufen, mit wilden, brachliegenden Rebbeständen, und ich kann’s kaum erwarten, zu sehen, was daraus wird.

Warum braucht es Weine vom anderen Ende der Welt in Kopenhagen?

Im Noma Kopenhagen habe ich keine Weine aus Australien auf der offiziellen Weinkarte. Ich habe nämlich während des Projektes Noma Australia fast ausschliesslich mit australischen Weinen gearbeitet und dabei die erstaunliche Erfahrung gemacht, dass die wenigen europäischen Weine, die ich eigentlich bestens kenne und deswegen im Projekt eingesetzt habe, jeweils irgendwie etwas energielos waren. Sie waren zwar fehlerlos, aber ihnen fehlte ein Quäntchen Energie. Ich schliesse daraus, dass nicht alle guten Produkte immer überall hin verschifft und in jeder Ecke der Welt erhältlich sein sollen. Gleichwohl setze ich australische Weine gerne punktuell im Noma ein. Denn die Weine sind einzigartig, frisch, saftig, lebendig. Damit kann ich versnobten Etikettentrinkern zeigen, was es auch noch an ausserordentlichen Weinen gibt. Ein kulturelles Erziehungsmittel quasi. Für mich liegt hier die unbestrittene Berechtigung, in unserem und eurem Kontext mit diesen Weinen zu arbeiten. Dass es weder für uns noch für euch ein Hauptgeschäft sein soll, versteht sich eh, aber die Diskussion anzuregen, ist wichtig.