Vittoria

Am Tisch mit Arianna und Giusto Occhipinti

Am Tisch mit Arianna und Giusto Occhipinti

von Christian Eder, Vinum-Redaktor und Italienspezialist.

Arianna und Giusto, die Nichte und der Onkel. Zwei Weingüter, die Vittoria zu einer der spannendsten Regionen im Weinbau Italiens gemacht haben.

Arianna und Giusto, wenn Ihr den jeweils anderen beschreiben würdet, welche Eigenschaften zeichnen ihn aus?

Giusto Occhipinti
Arianna hat die Kapazität, eine Vision zu haben und sie auch Widrigkeiten zum Trotz auszuleben. Eigenschaft Nummer zwei ist die Neugier, die ihr eigen ist. Und drittens ist sie eine sehr elegante Frau: Wenn man sie sieht, tritt sie recht männlich auf, direkt, aber sie hat eine Sensibilität, die man erst entdeckt, wenn man sie kennt. Sie zu verstehen, heisst ihren Ursprung zu verstehen, den Ort, wo sie herkommt.

Arianna Occhipinti
Giustos herausragende Eigenschaft ist die Offenheit: Er kann Ideen teilen, er öffnet sich, sein Haus, einfach alles. Er hat seine Erfahrungen im Wein mit mir geteilt – das hat mir sehr viel geholfen. Er ist sich auch selbst treu geblieben, hat seine Ideen immer verfolgt – trotz aller Moden, die über den italienischen Wein hereingebrochen sind. Natürlich hat er schon ein paar Jahre auf den Schultern, ist aber immer noch bereit für Neues. Wenn er etwas beendet, dann ist er schon wieder auf der Suche, das ist ein Zeichen von...

Giusto
...Unruhe.

Arianna
Ja, Unruhe. Aber vielleicht ist das der Schlüssel im Leben: Nicht stehenzubleiben.

Arianna, wärst Du Winzerin geworden, wenn es das Weingut COS nicht gegeben hätte?

Arianna
Ich glaube nicht. Die Liebe zur Natur wurde mir sicher auch von meinen Eltern mitgegeben, aber diese Gabe, diese Liebe zur Handwerkskunst, die ein Winzer haben muss, habe ich von Giusto.

Giusto, ist es für Dich ein Problem, dass Deine Nichte aktuell mehr Aufmerksamkeit erregt als Du?

Giusto
Arianna ist wie eine Tochter für mich. Wenn man spät heiratet, sind ja deine Nichten und Neffen immer etwas auch deine Kinder. Von Neid daher keine Spur. Auch wenn ich manchmal erkläre, ich bin nicht mehr Giusto Occhipinti, ich bin nur der Onkel von Arianna. Aber ich bin sehr stolz darauf. Arianna hat mich stark stimuliert, mit ihrer Genialität, ihrer Fantasie. Für mich ist sie eine grosse Bereicherung.

Cerasuolo di Vittoria, die leichtfüssige Assemblage aus Frappato und Nero d´Avola, ist seit einigen Jahren in aller Munde. Wie beurteilt Ihr seine Zukunft?

Arianna
Vittoria ist eines der ältesten Weinbaugebiete Italiens, auf dieser Geschichte fussen wir. Wir sind auch Mitglieder des kleinen Winzerkonsortiums des Cerasuolo (Arianna ist Vizepräsidentin, Anm. d. Red.). Allen geht es recht gut, nicht nur Giusto und mir. Und so glaube ich, wird es auch weitergehen. Aber ich bin für ein permanentes, konstantes Wachstum, keinen Boom.

Giusto
Es ist uns gelungen, ein Stück unseres Erbes wiederzuerobern. Und das mit Weinen, die gar nicht dem entsprechen, was sich Wine Spectator und andere unter einem Sizilianer vorgestellt haben: keine muskulösen, hyperkonzentrierten Typen. In Vittoria gedeihen burgundische Weine. Kein anderer Nero d´Avola hat diese Eleganz. Auch unser Frappato hat nichts mit anderen Frappatos zu tun. Das ist ein Wein, der keine Arroganz gegenüber dem Essen zeigt, nicht dominiert. Ein Wein, der Spass macht.

Was ist der Unterschied zwischen Euren Stilistiken: Die Vinifikation bzw. der Ausbau in Amphoren bei COS und in Zement und Holz bei Arianna?

Giusto
Amphoren, Zement oder Holz sind nur Hilfsmittel. Es ist das Terroir, das den Unterschied ausmacht. Wir liegen in Vittoria zwischen zwei Flüssen, die Rebberge sind gut ventiliert, die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht hoch, die Mikroclimata von Zone zu Zone, von Contrada zu Contrada unterschiedlich.

Arianna
Die Contrade der Classico-Zone sind die Gebiete, wo Frappato und Nero d´Avola am besten gedeihen. Mir hilft zum Beispiel die Biodynamie, der Rhythmus der Natur, dieses Terroir besser zu interpretieren.

Giusto
Jeder von uns hat seinen eigenen Stil, den er über Jahre entwickelt hat. Meine Entwicklung, die etwas kurvig verlief, hat sicher Arianna geholfen, ihren Weg ohne Abweichungen zu gehen. Sie ist inzwischen selbst ein Vorbild: Ihr Aufstieg hat jungen Menschen gezeigt, welche Möglichkeiten es im Wein gibt. Wenn man sieht, mit welchem Vergnügen Arianna auf einen Traktor klettert, dann zeigt das, welche positive Arbeit die Landwirtschaft ist.

Habt Ihr daran gedacht, etwas gemeinsam zu machen: Einen Wein, etwas anderes?

Arianna
Wir essen mehrmals in der Woche gemeinsam. Dann kommen auch die Ideen, dies und jenes zu machen.

Giusto
Wenn ich ein gemeinsames Projekt mit Arianna sehe, dann nicht im Wein. Der Wein ist zu persönlich, ein Kind. Daher wäre es frivol, gemeinsam einen Wein zu machen.

Arianna
Vielleicht etwas in der Landwirtschaft, manchmal sprechen wir auch darüber. Das würde uns stimulieren. Die Rolle, die wir einer für den anderen einnehmen, ist oft auch, uns gegenseitig – ungewollt – Ideen zuzuschieben, die sich dann im Kopf entwickeln. Gerade diese Diskussionen helfen sehr.

Wollt Ihr nicht in einem anderen Teil Siziliens Wein produzieren – wie so viele andere Winzer, die sich zum Beispiel am Ätna ansiedeln?

Giusto
Nein, man heiratet ein Terroir. Und bleibt ihm sein Leben lang verbunden.

Was ist Euer jeweiliger Lieblingswein des anderen?

Arianna
Weil meine Weine meine Kinder sind, sind die Weine von Giusto meine Neffen, da hat man keine Vorzüge. Ich muss sagen, ich trinke alle mit grossem Vergnügen. Aber der wichtigste Wein seiner Philosophie, seiner Geschichte ist der Cerasuolo DOCG. Das ist auch der Wein, bei dem er am meisten an Forschung investiert hat – mit den Amphoren, mit allem – und noch immer investiert. Er wird daher auch stetig besser.

Giusto
Ich trinke meine Weine generell nicht in Restaurants, aber wenn ich Ariannas Etiketten irgendwo finde, dann trinke ich sie. In den Weinen von Arianna finde ich das Terroir, besonders in S.P. Bianco und Rosso. Mir gefallen Weine, bei denen man sich konzentrieren muss: Man braucht Energie, um sie zu trinken, aber man erhält mehr Energie zurück. Und wenn ich einen tollen Frappato geniessen will, dann trinke ich ebenfalls ihren.